Gestählt in 110 Jahren: Eisen-Döring

Manche Dinge sind aus Berlin nicht wegzudenken. Es würde schmerzen, wenn sie ganz verschwänden. Dazu gehört der Laden der Dörings am Kaiserdamm. VON CAROLIN BRÜHL, Berliner Morgenpost, 29.09.2016

Ein Mann betritt das Geschäft und verlangt einen Kaffeefilter. Er schaut dabei ein bisschen zweifelnd, ob denn so etwas heute noch verkauft würde. Der junge Mitarbeiter hinter dem Tresen denkt keine Sekunde nach. Er verschwindet hinter einem Regal und nicht einmal eine Minute später hat der Kunde, was er wollte. In einem Baumarkt wäre man in dieser Zeit noch nicht einmal mit dem Durchlesen der Infotafel fertig.

Wunderladen voller Töpfe, Mausefallen und Schrauben

Eisen-Döring ist einer dieser Wunderläden voller Emaille-Töpfe, Dosen, Besen, Schrauben, Beschläge, Austernbrecher, Gartenmöbel oder Duschköpfe, die uns immer wieder verlocken, hineinzugehen und nach Dingen zu fragen, von denen wir annehmen, dass sie so nicht oder nicht mehr erhältlich sind: Glasteekannen ohne bunten Blumenaufdruck, Geschirrtücher aus reinem Leinen, weil es nicht so fusselt beim Gläser-Abtrocknen oder eben einen Kaffeefilter, wie ihn Bentz 1908 entwickelte, und deren Kaffeebrühmethode nach Jahren der Pads und Kapseln jetzt wieder in Mode kommt.

Moden hat das Unternehmen Eisen-Döring schon viele gesehen und alle überlebt. Die Firma gibt immerhin ja auch schon zwei Jahre länger als den Melitta-Kaffeefilter. Das Sortiment hat sich in 110 Jahren unternehmerischen Tuns verändert, vieles ist auch geblieben. „Bezahlt ist alles bis auf die letzte Schraube“, sagt Helmut Döring. Auf Pump kaufen ist nicht Sache der Dörings. Und vielleicht ist es gerade diese Solidität, die das Unternehmen so alt hat werden lassen.

Helmut Döring übernimmt das Geschäft 1971

Helmut Döring hat das Unternehmen 1971 in dritter Generation von seinem Vater Bruno übernommen. Angefangen hatte aber schon sein Großvater Otto Döring mit einem Geschäft für Eisenwaren und Haushaltsgeräte am 1. Oktober 1906 im Neuköllner Stadtteil Rixdorf. Die Firmenchronik hält fest, dass die erste Kundin dort einen Kochtopf kaufte. Nicht festgehalten ist indes, wie der aussah. „Viele Leute kauften sich damals die ersten Elektroherde, dafür wollten sie auch neue Töpfe“, sagt Helmut Döring.

Die Dörings überlebten Krisen und Kriege. Nach dem Zweiten Weltkrieg stand das Unternehme fast vor dem Nichts. Die Lager waren ausgeraubt oder vernichtet. Bruno Döring, der 1925 in das Familienunternehmen eingetreten war, gelang es aber, das Geschäft und das Sortiment so auszubauen, dass es nahezu alle branchenüblichen Artikel umfasste. Noch heute führt die Familie den Slogan: „Döring hat alles!“

Haus am Kaiserdamm in Familienbesitz

In Charlottenburg begann die Geschichte von Eisen-Döring 1962, als Bruno Döring das Eisenwarengeschäft Julius Walter am Kaiserdamm 17 hinzukaufte. Das Neuköllner Geschäft wuchs von seinem Bruder Oskar weitergeführt. Das Fachgeschäft am Kaiserdamm, das ebenfalls schon seit 1906 existierte, wurde in den Folgejahren umgebaut und erweitert. „Wir sind froh, dass mein Vater damals so weitsichtig war, das Haus hier am Kaiserdamm zu kaufen, als es angeboten wurde“, sagt Helmut Döring und fügt mir leiser Wehmut hinzu: „Müssten wir für unsere Räume die ortsübliche Miete zahlen, wäre es allerdings heutzutage ziemlich schwer, mit einem solchen Laden zu überleben.“ Seine Frau Renate, die ebenfalls in der Firma arbeitet, nickt. Vor allem die großen Baumärkte und das Internet sind die Konkurrenten dieser immer seltener werdenden Geschäfte, wie sie die Dörings betreiben. Doch ganz verstehen will Helmut Döring diese Konkurenz nicht. „Wer zu uns mit einem Anliegen kommt, wird kompetent beraten, und ist in der Regel schneller und mit genau dem Gegenstand hier raus, den er wirklich will und braucht.“

Sohn Frank in vierter Generation im Geschäft

Und gebraucht wird Döring vor allem immer dann, wenn etwas benötigt wird, das es nicht einfach von der Stange gibt: historische Berliner Haus- oder Türschlüssel, Mausefallen, Glühbirnen, die in die Fassungen alter Lampen passen oder Beschläge für ein antikes Möbelstück. Vieles davon lagert die Familie im mehrstöckigen Keller. Was in diesem Sammelsurium nicht zu finden ist, wird angefertigt oder bestellt.

An ihrer Tradition will die Familie festhalten. Seit 2012 ist nämlich nun auch der älteste Sohn Frank selbst schon zweifacher Familienvater, in vierter Generation Teilhaber bei Eisen-Döring und steht neben seinen Eltern ebenfalls hinter dem Jugendstil-Ladentisch aus der Gründerzeit. Selbst Mitarbeiter Denny Marquardt ist schon seit 20 Jahren im Dienst der Dörings und der Fünfte im Geschäft am Kaiserdamm 17, Daniel Strenger, auch schon seit zehn Jahren.

Nachbarn kommen zum Plaudern

Der Kaiserdamm, diese gewaltige, 2,5 Kilometer lange und achtspurige Magistrale, wird wie der döringsche Eisenwarenladen im Oktober ebenfalls 110 Jahre alt. Es gibt nicht mehr viele Geschäfte in denen Kunden und Ladeninhaber noch so einen engen Kontakt pflegen. „Viele Nachbarn kommen zu uns ja auch einfach einmal zum Plauschen herein, manchmal bleiben auch neue Kunden ein Weilchen und erzählen uns ihre ganze Lebensgeschichte“, sagt Renate Döring. Ihr Firmenjubiläum wollen die Dörings am 1. und 2. Oktober gebührend feiern. Einige Hersteller präsentieren ihre Produkte bei Vorführungen und die Familie hat 150 historische Fotos vom Kaiserdamm sowie an Büromaschinen im Laden verteilt und lädt bei Freibier und Sekt zu einer Zeitreise ein.